Internes Zahlenmaterial der Bahn: Weniger als die Hälfte der Züge sind pünktlich

Über die Hälfte aller Reisezüge in Belgien hat mehr als eine Minute Verspätung. Dies ist aus internen Zahlen von Infrabel, dem Infrastruktur-Dienstleister der belgischen Bahngesellschaft NMBS/SNCB ersichtlich, in die VRT NWS und die Wirtschaftsblätter De Tijd und L’Echo Einblick hatten. Die Vorstände von Bahn und Infrabel müssen sich für ihre schlechten Pünktlichkeitswerte vor dem Verkehrsausschuss des belgischen Bundesparlaments verteidigen.

87,2 % der Züge haben weniger als 6 Minuten Verspätung. Dies sind die Zahlen, mit denen die belgische Bahn aufwartete, als es darum ging, die Pünktlichkeit der Züge im vergangenen Jahr zu bewerten. Doch die inoffiziellen Zahlen, die die Bahn und ihr Infrastruktur-Dienstleister festgestellt haben, sehen ganz anders aus.

Nur 49,1 % aller Reisezüge sind pünktlich, wenn die strenge Norm unter einer Minute Verspätung angewendet wird. Zudem sinkt die Pünktlichkeit nach diesem Maßstab während den morgendlichen Stoßzeiten im Berufsverkehr zwischen 6 Uhr und 9 Uhr auf nur noch 40,7 %. Abends, von 16 Uhr bis 19 Uhr sind sogar nur noch 39,7 % der Reisezüge pünktlich.

An Wochenenden und Feiertagen, sowie an den sogenannten Tagesrandlagen außerhalb der Stoßzeiten liegen die internen  Bahnwerte allerdings über 50 %... In so gut wie allen Bereichen sind diese Zahlen aus dem vergangenen Jahr schlechter als 2017, wie die Recherchen, bzw. die Analysen dieser Statistiken von VRT NWS, De Tijd und L’Echo ergaben. 

„Personen im Gleis“

Häufig angegebener Verspätungsgrund

Viele Bahnkritiker aus Politik und Fahrgastverbänden sehen sich in diesen Zahlen bestätigt. Es ist halt nur eine Frage der Sichtweise, die man Pünktlichkeit bewertet. Geht man von einer pünktlichen Abfahrt und von einem pünktlichen Ankommen eines Zuges aus, ohne die Zwischenverspätungen mit einzuberechnen oder ohne die verpassten Anschlüsse von Reisenden zu bedenken, sind viele Züge pünktlich. Und nächtliche Leer- und Überführungsfahrten von Reisezügen, die im Zeitrahmen bleiben, können auch nur als Statistikfälschung angesehen werden.

Oft verweisen NMBS/SNCB und Infrabel bei Problemen auf Probleme „durch Dritte“, z.B. auf „Personen im Gleis“, auf „Kabeldiebstahl“ oder Ähnliches. Solche Vorfälle werden als Verspätungsgrund immer häufiger als Fahrgastinformation ausgegeben oder von Bahnsprechern angesprochen. Fachleute allerdings bezweifeln dies oft und verweisen eher auf Schäden an der Infrastruktur oder am Fahrzeugmaterial und dabei auf mangelhaften Unterhalt oder schlicht auf akuten Personalmangel, sprich auf fehlende Schaffner oder Lokführer. 

„Es muss besser werden“

Bahn und Infrabel seit Jahren

Bahndienstleister Infrabel verspricht angesichts dieser Zahlen, das man Besserung gelobe und dass Pläne von Seiten der Vorstände vorliegen, die die Pünktlichkeit erhöhen sollen. „Welche Norm und welche Zahlen auch gebraucht werden, eines ist deutlich: Die Pünktlichkeit ist nicht gut und muss besser werden. Daran müssen wir stahlhart gemeinsam dran arbeiten, sowohl bei Infrabel, als auch bei NMBS/SNCB. Die Reisenden haben ein Recht darauf. Dezember und die ersten Wochen im Januar sind schon ermutigender. Diesen Weg müssen wir weiter einschlagen.“, sagte Infrabel-Sprecher Frédéric Petit in seiner unnachahmlichen Art und Weise. Gehört haben wir das schon mal, z.B. 2015, 2016, 2017… 

Andreas Kockartz/VRT

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