Jonas Roosens

Alle Augen sind auf den Karneval von Aalst gerichtet

Seit im vergangenen Jahr eine Karnevalsgruppe beim traditionell deftigen und ungehobelten Karneval von Aalst in Ostflandern mit Klischeedarstellungen von Juden am dortigen Umzug teilgenommen haben, steht gerade dieser Karneval dieses Jahr international im Fokus. Doch die Politik im belgischen Bundesland Flandern will diesen Karneval nicht „zensieren“ und appelliert an den „gesunden Menschenverstand“. 

Seit der israelische Außenminister Israel Katz am Donnerstag Belgien dazu aufgerufen hat, den Karnevals von Aalst wegen antisemitischer Umtriebe zu verbieten (siehe nebenstehenden Beitrag), musste sich auch die hiesige Politik einschalten. 

Christoph D’Haese (N-VA), der Bürgermeister der Stadt Aalst, äußerste sich zutiefst beunruhigt: „Das ist sehr beunruhigend und übertrieben.“ Seine Stadt und seine Bürger seien weder antisemitisch eingestellt, noch Rassisten und auch hier gehe man vorsichtig mit den Gefühlen anderer, auch mit denen von Juden, verantwortungsvoll um. Doch Bürgermeister D’Haese will nicht zum „Zensor“ werden und will nichts in Karneval von Aalst verbieten, auch nicht unter internationalem Druck. Aber, in einem Gespräch mit der flämischen Tageszeitung De Standaard rief D'Haese die Karnevalisten dazu auf, "nicht zu verletzen, nur um zu verletzen."

Flanderns Landesinnenminister Bart Somers (Open VLD) will ebenfalls keine Verbote aussprechen, ruft aber die Verantwortlichen bei der Stadt Aalst dazu auf, „die Karnevalisten davon zu überzeugen, nicht wieder mit den jüdischen Klischees aufzuwarten.“ Die Karnevalisten in der ostflämischen Fastnachts-Hochburg Aalst fühlen sich zu Unrecht in die rechte Ecke gedrängt und wollen an ihrer Tradition eines ungestümen, frivolen und ungehobelten Karnevals, bei dem über jeden und alle gelacht wird, ohne Verbote und Zensur festhalten.

„Wir lachen über jeden, auch über uns selbst“

Der Dachverband der Aalster Karnevalisten „Karnevalist tot in de Kist“ (in etwa „Karnevalist bis in den Sarg“) versteht den Aufruf des Bürgermeisters und des Innenministers, man solle im Karneval niemanden verletzen. Der Vorsitzende dieses Verbandes, Sven de Smet, sagte dazu: „Dürfen wir über Juden lachen? Natürlich, genauso, wie wir über jeden und über uns selber lachen. Aber, wir versuchen das mit feinem Humor zu machen, ohne die Menschen zu verletzen. Wir finden, dass Karneval verbindend sein muss.“

Weiter sagte de Smet: „Wir wissen, dass wir unseren gesunden Menschenverstand brauchen müssen und dass unser Fest verbindend sein muss. Ich glaube aber auch, dass wir angesichts des Zeitgeistes, gut darüber nachdenken sollten, wie wir damit umgehen, ohne unsere DNA, unsere Eigenheit, unsere Tradition und unsere Werte wegzuwerfen.“  

Am Sonntag im frühen Nachmittag startet der berühmt-berüchtigte Karnevalszug von Aalst und zwar unter den Augen einer internationalen Beobachtung. Die Politik hält den Atem an, die Kameras werden bereitstehen und die Karnevalisten von Aalst werden machen, was sie immer tun: Lachen über jeden und alle…, gleich welche Folgen das wohl haben kann (und wird). 

Belga Images
Jonas Roosens

Meist gelesen auf VRT Nachrichten