Verwendung weltweit, usage worldwide

Dreizehn EU-Mitgliedstaaten "sehr besorgt" über Notstandsgesetze, darunter auch Belgien

Belgien und zwölf weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind "sehr besorgt", dass einige Sofortmaßnahmen im Kampf gegen die Corona-Epidemie "gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte zu verstoßen drohen". Dies teilten sie in einer gemeinsamen Erklärung am gestrigen Mittwoch mit. Ungarn wird nicht ausdrücklich erwähnt.

Nach Ansicht der dreizehn EU-Mitgliedstaaten sei es in dieser Ausnahmesituation "legitim", dass die Regierungen außerordentliche Maßnahmen ergriffen. "Dennoch sind wir sehr besorgt über die Gefahr von Verletzungen der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte als Folge bestimmter Notfallmaßnahmen", heißt es in der Erklärung.

Neben Belgien, unterstützen die Erklärung auch Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Dänemark, Finnland, Irland, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Schweden. Sie betonen, dass die Maßnahmen "auf das unbedingt notwendige, verhältnismäßige und vorübergehende Maß beschränkt werden müssen und einer regelmäßigen Überprüfung bedürfen.“ „Sie sollten die Meinungs- und Pressefreiheit nicht einschränken.“

In Ungarn hat Ministerpräsident Viktor Orban am Montag vom Parlament grünes Licht für ein Notstandsgesetz erhalten, das den Ausnahmezustand auf unbestimmte Zeit verlängert und der Regierung die Befugnis gibt, die Coronakrise durch Sonderverordnungen anzugehen. Vorgesehen sind auch Gefängnisstrafen für die Verbreitung "falscher Nachrichten" über das Virus und die Maßnahmen der Regierung.

Regierungssprecher Zoltan Kovacs behauptet, das Gesetz stehe im Einklang mit der ungarischen Verfassung und den europäischen Verträgen. Der Ausnahmezustand werde beendet, sobald die Pandemie besiegt sei, oder das ungarische Parlament den Ausnahmezustand aufhebe, erklärte er. Im Parlament verfügt Orbans rechtsnationale Regierungspartei Fidesz über eine Zweidrittelmehrheit. Diese ist nötig, um Gesetze im Verfassungsrang zu ändern.

Die Europäische Kommission, die am Mittwoch die Sofortmaßnahmen in Ungarn und anderen Mitgliedstaaten geprüft hat, wird die endgültige Fassung des ungarischen Gesetzes "analysieren" und seine konkrete Anwendung durch die Regierung prüfen. In einer allgemeinen Erklärung hatte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, noch am Dienstag mitgeteilt, dass die Maßnahmen "auf das Notwendige beschränkt sein sollten und strikt verhältnismäßig"  und "nicht unbegrenzt andauern" dürften.

Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn äußerte sich am Mittwoch konkret hierzu. Die EU dürfe sich mit einer diktatorischen Regierung in ihren Reihen nicht abfinden, sagte der Sozialdemokrat der Zeitung „Die Welt“. Und eine Regierung, die auf unbestimmte Zeit nicht mehr von einem Parlament kontrolliert werde, dürfe keinen Platz mehr am Tisch der europäischen Institutionen haben und auch keine Entscheidungen mehr mitfällen, die am Ende alle Menschen in der EU beträfen. Wörtlich forderte Asselborn, Ungarn in die „politische Quarantäne“ zu schicken.

EP hat schon vor zwei Jahren das so genannte Artikel-7-Verfahren gegen das Land eingeleitet

Im Zuge des neuen ungarischen Gesetzes hat die Regierung dort eine Reihe neuer Gesetze vorgeschlagen.

So würde mit einer Bestimmung in den Geburtsurkunden die Geschlechtsbezeichnung durch das „Geschlecht bei der Geburt“ ersetzt. Dadurch würde das Recht auf Änderung des Geschlechts für Transgender-Personen tatsächlich aufgehoben.

Auch sollten mitten in der Coronakrise Kompetenzen der Bürgermeister im ganzen Land begrenzt werden. Davon soll die ungarische Regierung um Ministerpräsident Viktor Orban inzwischen jedoch Abstand genommen haben, berichtet die Deutsche Presse-Agentur.

Aus Furcht vor einer systematischen Aushöhlung der Grundwerte und Grundfreiheiten in Ungarn hat das Europäische Parlament vor zwei Jahren schon das so genannte Artikel-7-Verfahren gegen das Land eingeleitet. Grundsätzlich kann dieses Verfahren zur Aussetzung der Stimmrechte in den Europäischen Ministerräten führen, aber dieses Verfahren ist in einer Sackgasse, weil die Mitgliedstaaten hierbei einstimmig zustimmen müssen.

Meist gelesen auf VRT Nachrichten