Prozessbeginn im Fall des durch eine Polizeikugel getöteten kurdischen Mädchens Mawda
Die damals 2 Jahre alte Tochter einer kurdisch-irakischen Flüchtlingsfamilie starb in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 2018 nach einer Verfolgungsjagd auf der E42-Autobahn zwischen Namür und Mons. Die Autobahnpolizei hatte auf einem Parkplatz bei Namür einen verdächtigen Lieferwagen bemerkt und nach einer langen und wilden Verfolgungsjagd fuhr dieser bei Nimy in der Nähe von Mons auf eine Straßensperre zu. Dabei gab ein Polizist einen Schuss auf den Wagen ab. Dabei wurde Mawda Shawri (Foto) tödlich getroffen. Jetzt beginnt der Prozess zu diesem Fall gegen zwei Schleuser und gegen den Polizisten, der den fatalen Schuss abgab. Bei dem Verfahren steht auch die Polizeiarbeit im Kreuzfeuer.
In Mons in der Provinz Hennegau beginnt an diesem Montag (23. November) das Verfahren um den Tod des kurdisch-irakischen Kindes Mawda, dass bei einer Verfolgungsjagt im Mai 2018 zwischen der Polizei und einem Lieferwagen voller illegaler Flüchtlinge von Menschenschmugglern ums Leben kam.
In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 2018 beobachtet eine Streife der Autobahnpolizei von Namür auf einem Autobahnparking an der E42 einen weißen Lieferwagen mit falschen Kennzeichen. Die Polizisten sind gerade auf Streife gegen Schleuser und gegen sich illegal in Belgien aufhaltende Transitmigranten auf dem Weg nach Großbritannien. Die Polizisten beschließen den Wagen zu kontrollieren und rufen Verstärkung herbei. Der Lieferwagen aber fährt ab und die Polizei beginnt mit zwei Fahrzeugen die Verfolgung.
Verfolgung in Richtung Hennegau
Doch der Versuch, den Wagen in die Klemme zu bringen und zu stoppen, scheitert durch die waghalsige Fahrweise des Fahrers. Der Wagen kann wieder entkommen und die Polizisten rufen ihre Kollegen aus der Provinz Hennegau zu Hilfe, denn inzwischen wurde die Provinzgrenze überfahren. Während der Lieferwagen über die E42 rast, zerschlagen die Insassen die Rückfenster und zeigen Kinder daraus.
Inzwischen versuchen die Beamten der Autobahnpolizei der Provinz Namür mit ihren Kollegen aus Hennegau Kontakt aufzunehmen, doch diese muss über eine Zentrale laufen. Die Polizei Hennegau arbeitet mit einer neuen Funkfrequenz, die nicht mit Namür kompatibel ist… Ein Polizeifahrzeug aus Hennegau schafft es inzwischen, neben dem flüchtenden Lieferwagen herzufahren und die Beamten zeigen dabei regelwidrig ihre Waffen, doch der Wagen rast weiter, woraufhin einer der Polizisten einen Schuss abgibt.
Verwirrende Lage
Heute sagt der Anwalt des Polizisten, der damals den Schuss abgab, dass dieser den Reifen des Fluchtwagens treffen sollte. Doch der Polizeiwagen habe einen Ruck gemacht, wobei der Schuss sein Ziel verfehlte und stattdessen das Gesicht der zweijährigen Mawda, die mit ihren Eltern und ihrem Brüderchen in dem Lieferwagen sitzt, trifft.
Inzwischen stoppt der Lieferwagen, in dem die Polizei etwa 30 Personen entdeckt, alles Transitmigranten, die mithilfe von Schleusern nach England wollten. Erst nach rund 20 Minuten kommt ein Krankenwagen, der Mawda in ein Krankenhaus bringt, wo sie an den Schussfolgen aber stirbt. Ihre Familie wird mit den anderen Insassen des Fluchtwagens zum Verhör festgenommen und wartet lange auf Neuigkeiten.
Nach den Verhören werden alle Beteiligten freigelassen und verschwinden spurlos, außer die Familie von Mawda. Etwas später werden in Belgien zwei Iraker aufgrund von DNA-Spuren festgenommen - die beiden mutmaßlichen Schleuser und Fahrer des Wagens.
Polizeiinterne Untersuchungen
Nach dem Vorfall untersucht das Aufsichtsorgan für Polizei und Ermittlungsdienste, das Komitee P, die Vorgänge. Im entsprechenden Bericht, der im Januar 2019 veröffentlicht wurde, wird festgestellt, dass es mit der Kommunikation deutlich haperte. So hatte die französische Polizei den Lieferwagen mit einem Peilsender zur Beobachtung versehen, was aber nur die Polizei von Ostflandern wusste, nicht aber die belgische Bundes- oder die Autobahnpolizei. Und es bleibt unklar, ob die beiden Beamten aus Hennegau überhaupt wussten, dass in dem Fluchtauto Menschen, darunter Kinder, saßen. Zudem steht auch ein Vertuschungsversuch von Seiten der Polizei im Raum.
Dem Polizisten, der den tödlichen Schuss abgab, wird unfreiwilliger Totschlag vorgeworfen. Ihm drohen eine Haftstrafe von 3 Monaten bis zwei Jahre und eine Geldstrafe. Den mutmaßlichen Schleusern drohen schwere Strafen wegen Verkehrsbehinderung mit Todesfolge und wegen Menschenschmuggel. Ihnen drohen Haftstrafen bis zu 20 oder 30 Jahren.