Erster Wolkenkratzer Europas: Antwerpens "Boerentoren" hat einen neuen Besitzer und wird ein Kulturhaus

Der „Boerentoren“ von Antwerpen hat einen neuen Besitzer. Der Geschäftsmann und Kulturmäzen Fernand Huts vom Logistik-Unternehmen Katoen Natie im Antwerpener Hafen hat diesen ersten Wolkenkratzer auf dem europäischen Festland vor einigen Tagen erworben und will ihn zu einem flexiblen Kulturzentrum machen. Bisher war der sogenannte „Bauernturm“ im Besitz der belgischen All-Finanz-Gruppe KBC. 

Der „Boerentoren“ wurde zwischen 1928 und 1931 im Auftrag der „Kredietbank“ gebaut, dem Vorläufer der heutigen KBC und galt seinerzeit als Symbol für „industrielle und finanzielle Macht“. Das Gebäude wartete damals mit unglaublichen Zahlen auf: 97,75 Meter Höhe, 3.500 Tonnen Stahl, 500 Tonnen Betonstahl, 3.550 Tonnen Beton, 3,5 Millionen Ziegelsteine und hunderttausende Nägel und Schrauben. Erbaut wurde dieser erste Wolkenkratzer auf dem Festland in Europa im Art-deco-Stil und er gehört zu den Ikonen der modernen Architektur in Flandern.

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1968
BELGA

Jetzt hat Fernand Huts (Foto unten) das Gebäude erworben und will es in den kommenden drei Jahren zu einem flexiblen Kulturzentrum umbauen. Huts ist Leiter des traditionsreichen Antwerpener Familienunternehmens Katioen Natie, ein Logistikbetrieb im Hafen. Fernand Huts ist aber nicht nur ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch ein einflussreicher Kunst- und Kulturmäzen. 

Sein Kulturprojekt „The Phoebus Foundation“ besitzt u.a. eine Sammlung an Werken der „Cobra“-Künstlergruppe, Textilwerke und -produkte aus allen Epochen, eine umfangreiche Kollektion an Gemälden aus den Südlichen Niederlanden zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert, große Mengen an lateinamerikanischer Kunst und vieles mehr. Huts erwirbt nicht selten historisch wichtige Objekte auf internationalen Versteigerungen, die aus Flandern stammen, wie z.B. Atlanten und andere geschichtlich bedeutsame Bücher.

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Fernand Huts

Was wird aus dem "Boerentoren"?

Fernand Huts wird mit dem Immobilien-Projektentwickler ION und dem nicht erwerbsmäßig arbeitenden Kultur-Geschäftsteil von Katoen Natie aus dem „Boerentoren“ ein ehrgeiziges Kulturhaus machen. Dafür gibt er sich drei Jahre Zeit. Zunächst muss allerdings einiges an Asbest aus dem Gebäude entfernt werden (einer der Gründe, warum sich die KBC von dem Turm trennte).

Geplant ist, Parterre und im ersten Stock Gastronomiebetriebe und Geschäfte anzusiedeln. Auf den weiteren 8 Etagen entstehen kulturelle Einrichtungen, wie Ausstellungsräume, Filmsäle, Archive für die Sammlungen der Gruppe, Restaurierungsateliers, Kunstateliers und vieles mehr. Im Bereich 11. bis 23. Etage werden Wohnungen entstehen. Und ganz oben, in den letzten drei Stockwerken, werden u.a. ein Observatorium und ein Panoramasaal entwickelt. Dieser Bereich ist für jedermann frei und kostenlos zu besuchen, so die Planung.

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1930er Jahre

Keine Konkurrenz…

Die anderen großen Kultureinrichtungen in Antwerpen sehen in dem Projekt von Mäzen Fernand Huts keine Konkurrenz sondern eher eine Ergänzung. Kritiker werfen dem Philanthropen allerdings hinter vorgehaltener Hand vor, dass seine Kultureinrichtung „The Phoebus Foundation“ im Steuerparadies Jersey angesiedelt ist. Während der Kulturwelt angesichts der Coronakrise und rückläufigen Zuschüssen von Seiten der öffentlichen Hand teilweise das Wasser bis zum Hals stehe, spiele er der Privatisierung der Kultur in die Hände.

Aber, man kann Huts zugutehalten, dass er dort einspringt, wo empfindliche Löcher entstehen. Huts und seine Projektmitarbeiter sind in dieser Hinsicht dynamisch und zeigen der Kulturwelt, wie es auch funktionieren kann. Und man sollte nicht vergessen, dass Philanthropen nicht nur im eigenen Interesse handeln, sondern dass sie der Gesellschaft immer etwas zurückgeben. Das ist genau das, was Fernand Huts in Flandern tun möchte.

Huts betreibt mit seiner ergänzenden Programmierung und mit seinen Projekte aktive Kulturpolitik, die den Flamen und einem internationalen Publikum zugutekommen soll. Und dies mit eigenem privatem Geld. „Ich will Antwerpen als Kulturstadt auf die Weltkarte setzen!“, so Huts zu seinem Projekt… 

Der "Boerentoren" bietet eine ungalubliche Aussicht auf Antwerpen
Christophe Ketels / COMPAGNIE GAGARINE
Antwerpens Kathedrale und der "Boerentoren" aus Richtung linkes Scheldeufer
Nicolas Maeterlinck

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