Ist auch im frankophonen Belgien die Zeit für eine Konföderation reif?

Wohl eher nicht. Paul Magnette, der Vorsitzende der frankophonen Sozialisten PS (Foto), will zwar die belgische Staatsstruktur vereinfachen, aber ein konföderales Belgien sieht er nicht. Er würde auf die Gemeinschaften verzichten und auf starke Regionen in einem starke Föderalstaat setzen. Bart De Wever, der Vorsitzende der flämischen Nationaldemokraten N-VA, sieht darin trotzdem die Bereitschaft Magnettes, sich ein Stück weit in Richtung Konföderation zu bewegen. Doch Magnette sagte am Wochenende im VRT-Fernsehen etwas ganz anderes. 

Paul Magnette gab am Wochenende gegenüber VRT NWS zu  verstehen, es sei ein offenes Geheimnis, dass seine Partei, die frankophonen Sozialisten PS, eigentlich Regionalisten seien. Allerdings unterscheidet sich die Herangehensweise an eine weitere Staatsreform in Belgien auf frankophoner Seite sehr von der, die sich in Flandern vorgestellt werden könnte.

De Wever und die N-VA vs. Magnette und die PS

Bart De Wevers N-VA z.B. setzt auf eine Konföderation mit starken Regionen und einem eher weniger wichtigen Nationalstaat, während Magnette starke Regionen in einem starken National- bzw. Föderalstaat sieht. Er möchte die Staatsstruktur auch dahingehend  vereinfachen, dass die Gemeinschaften zugunsten klarer regionaler Zuständigkeiten abgeschafft werden.

Dabei denkt er an drei oder vier Regionen: Wallonie, Flandern, Brüssel und die Deutschsprachigen in Ostbelgien. In dieser Frage ist die N-VA in Flandern eher zurückhaltend. Sie sieht in ihren Plänen zu einem konföderalen Belgien vor, dass die beiden starken Regionen Wallonie und Flandern Brüssel und den deutschsprachigen Landesteil mit verwalten sollen.

Was passiert mit Brüssel?

Die bisherige Region Brüssel-Hauptstadt ist dabei wohl das größere Problem, denn hier werden einige Bereiche von der flämischen und der französischsprachigen Gemeinschaft (mit)verwaltet, wie z.B. das Schul- und (Aus)Bildungssystem. Das aber ist nach Ansicht von PS-Chef Magnette keine gute Lösung. Er will auf jeden Fall aus Brüssel eine vollwertige Region machen, wie dies in Flandern und in seiner Wallonie der Fall ist.

Magette macht dies auch am Lebensgefühl der Menschen in Brüssel fest. Seiner Ansicht nach würden sich die niederländischsprachigen Einwohner der Region weniger als Flamen fühlen, sondern eher als Brüsseler. Dies sei auch bei den frankophonen Brüsselern der Fall. Diese sehen sich wohl nicht unbedingt als Wallonen, sondern als Brüsseler.

So geht es nicht lange weiter

Die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien wird aber im Gegensatz zum Thema Brüssel nicht als ein schwieriges Problem angesehen. Sicher sind sich alle Beteiligten allerdings in einer Sache: Belgiens Staatsstruktur ist zu kompliziert und so auf Dauer nicht lange handlungsfähig. Das haben in den vergangenen Monaten zwei Dinge aufgezeigt: Die Corona-Krise mit insgesamt 9 zuständigen Gesundheitsministern und die Tatsache, dass man über ein Jahr nach den Wahlen brauchte, um eine neue belgische Bundesregierung zu bilden. Die Wahlen 2024 werden in dieser Frage ein Schwerpunktthema haben. Man darf gespannt sein.

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