Europäischer Gerichtshof bestätigt Verbot der Schächtung, Minister Weyts: “Flandern schreibt Geschichte”
Die Richter des Europäischen Gerichthofs haben am Donnerstag zugunsten von Flandern und der Wallonie entschieden, die das Schlachten von Tieren ohne vorherige Betäubung, auch im Rahmen religiöser Riten, verboten haben. Jüdische und muslimische Interessenverbände hatten Berufung eingelegt. Der flämische Minister für Tierschutz Ben Weyts (NV-A) und seine wallonische Amtskollegin Céline Tellier reagierten erleichtert. In Brüssel sei "die Debatte jetzt neu entfacht worden", sagte Tierschutzminister Bernard Clerfayt.
Die EuGH-Richter urteilten, das Verbot in Flandern verstoße nicht gegen die Religionsfreiheit. Gläubige könnten rituell geschlachtetes Fleisch aus anderen Ländern importieren und seien also nicht in der Ausübung ihrer Religion beschränkt. Außerdem sei es nicht generell verboten, Tiere zu schächten, sondern nur dann, wenn es ohne Betäubung stattfindet. Die aber sei das beste Mittel, "um das Leiden der Tiere zum Zeitpunkt des Tötens zu verringern."
Jüdische und muslimische Verbände hatten am belgischen Verfassungsgericht gegen ein Dekret des flämischen Bundeslandes von 2017 geklagt, dass die Schlachtung ohne vorherige Betäubung untersagt hatte. Daraufhin bat das Gericht die europäischen Richter um eine Vorabentscheidung gebeten, weil sich die Kläger auf eine EU-Ordnung beriefen.
Kläger reagieren enttäuscht
"Europa schützt seine religiösen Minderheiten nicht mehr: Der Europäische Gerichtshof gibt den Mitgliedstaaten freie Hand, damit sie sogar das religiöse Schächten in einem zugelassenen Schlachthof verbieten können", bedauerte Yohan Benizri, Präsident des Koordinationskomitees der jüdischen Organisationen in Belgien (CCOJB), der von einer “Verweigerung der Demokratie" spricht. Das Komitee will sich jetzt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden.
Tierschutzorganisation Gaia: großer Tag für uns und Hunderttausende Tiere
Die Tierschutzorganisation Gaia reagierte, in dem sie den heutigen Tag als einen “großen Tag" bezeichnete, sowohl für sie selbst als auch für “Hunderttausende Tiere, denen der grausame Schmerz erspart bleibt, wenn sie aus religiösen Zwecken ohne Betäubung geschlachtet werden", so der Vorsitzende Michel Vandenbosch.
Vandenbosch bezeichnet dies als den Höhepunkt eines 25 Jahre dauernden Kampfes. "Man kann sich nicht mehr auf die Religion berufen, um Tiere leiden zu lassen, wenn es wissenschaftliche Alternativen gibt, dieses Leiden zu beenden, wie z.B. die reversible Elektronarkose.
Landesminister Weyts: “Flandern schreibt Geschichte”
In Flandern trat das Verbot der Schlachtung ohne Betäubung am 1. Januar 2019 in Kraft, in Wallonien am 1. September 2019. Im Norden des Landes werden Schafe und Kälber elektronisch umkehrbar betäubt, bevor ihnen die Kehlen durchgeschnitten werden und sie ausbluten. Bei Rindern wird die vorherige umkehrbare Betäubung wirksam, sobald die Technik steht.
Der flämische Tierschutzminister Ben Weyts twitterte, Flandern habe "Geschichte geschrieben" und könne "stolz darauf sein". Er erwartet in Kürze eine Entscheidung des belgischen Verfassungsgerichts und will den Religionsgemeinschaften die Hand reichen.
Die Region Brüssel-Hauptstadt hat keine Verordnung zu diesem Thema erlassen. Für den Brüsseler Tierschutzminister Bernard Clerfayt (DéFI) bringt die Entscheidung des EuGH die Debatte erneut ins Rollen. “Jede Entwicklung in diesem Dossier wird eine besonnene Diskussion mit allen betroffenen Parteien erfordern, um eine faire Balance zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit zu finden", sagte Clerfayt.