Indische Sekte flutet Twitter-Profile von Dutzenden belgischen Politikern und Fußballern
Letzte Woche wurden zahlreiche belgische Twitter-Profile ungewollt mit hunderten von Nachrichten aus Indien überschwemmt. Hinter diesen Nachrichten stecken Anhänger von Rampal (Foto), dem Guru einer umstrittenen indischen Sekte. Unter den Opfern sind mehrere flämische Politiker und belgische Fußballspieler.
Auf Twitter wurden bald Unterstellungen laut, es handele sich um Politiker, die sich über so genannten indischen "Klickfarmen" virtuelle Unterstützung erkauft hätten. In Ländern mit niedrigem Einkommen verbringen Mitarbeiter ihre Tage damit, die Popularität der Person oder des Unternehmens, das sie bezahlt, aufzublähen. Dazu gehören massive "Likes", wiederholte "Klicks" auf Inhalte, um die Anzahl der Aufrufe zu erhöhen, oder das Posten falscher Meinungen auf einer Seite.
Das erinnert an einen Vorfall im Jahr 2018, als das flämischen Nachrichtenmagazin ‚Knack‘ recherchierte, dass die Facebook-Seite der flämischen Christdemokraten CD&V rund 10.000 Follower aus Indien hatte. Später stellte sich heraus, dass dies das Ergebnis eines Fehlers in der Social-Media-Strategie war. Geschieht hier etwas Ähnliches?
N-VA-Sprecher Philippe Kerckaert hat entsprechende Vorwürfe bereits auf Twitter zurückgewiesen. Er spricht von einer "vulgären Spam-Attacke". Dennoch handelt es sich um eine koordinierte Aktion, die die anvisierten Twitter-Konten nicht selbst beenden können.
Rote Teufel, die Medien und bekannte Politiker
In den letzten Tagen sind nicht nur Politiker mit Spam aus Indien konfrontiert worden. Unter vielen Tweets aus der Fußballwelt tauchen die gleichen Meldungen auf: beim Twitter-Profil des belgischen Erstligisten Club Brügge zum Beispiel, oder das der belgischen Fußballnationalmannschaft, die Roten Teufeln, oder von international bekannten Spielern wie Romelu Lukaku (Inter Mailand) und Thibaut Courtois (Real Madrid).
Aber auch Medien wie die Zeitschrift Humo und sogar VRT NWS mussten in ihren Tweets eine Flut von Meldungen über den indischen Guru Rampal löschen.
Der Staatssekretär für Asyl und Migration, Sammy Mahdi (CD&V), ist eines der Opfer. Besonders ärgert ihn dieser Spam, der es schwierig macht, die Reaktionen auf Twitter zu kontrollieren: "Ich habe schon fünfzig Leute mit einem solchen Profil blockiert, aber sie machen weiter". Der flämische Bildungsminister Ben Weyts (N-VA) ist ebenfalls ein Opfer und hat die aktivsten Spammer ebenfalls blockiert. "Eine Maßnahme, die er normalerweise nicht anwendet, aber hier sind sie zu weit gegangen", sagt sein Sprecher.
Indische Sekte
Rampal Singh Jatin, 69 Jahre alt, ist der Anführer einer indischen Sekte. Er nennt sich "Mann Gottes" und hat Tausende von Anhängern, hauptsächlich in Nordindien.
Bis 1995 arbeitete er als Ingenieur in der Bewässerungsabteilung des Bundesstaates Haryana, im Norden Indiens. Dort kündigte er aufgrund seines Erfolges als Prediger. Rampal behauptet, der spirituelle Nachfolger und die Inkarnation von Kabir zu sein, einem mystischen Dichter und indischen Heiligen aus dem 15. Jahrhundert.
Von der Justiz vor allem wegen eines Mordfalls gesucht, wurde er 2014 verhaftet, nachdem die Polizei mit mehreren hundert seiner Anhänger konfrontiert wurde. Die Polizei fand am Tag nach dem Angriff auf dem Gelände des selbsternannten Gurus - ein 4,8 Hektar großes Gelände 175 km nordöstlich von Neu-Delhi - fünf Leichen, vier Frauen und einen Säugling. Im Jahr 2018 wurde Rampal wegen Mordes, Geiselnahme und Verschwörung zu lebenslanger Haft verurteilt. Trotzdem bleibt er bei einigen seiner Anhänger beliebt.
Die Anhänger dieser Sekte wenden diese Methoden schon seit Jahren. Artikel in der indischen Presse aus dem Jahr 2017 beschreiben ähnliche Kampagnen von Rampal-Anhängern in sozialen Medien. Dabei handelt es sich um massenhaftes Tweeten eines vereinbarten Twitter-Hashtags durch eine Kombination aus echten Followern und automatisierten Twitter-Robotern.
Diese Tweets sollen die Landsleute davon überzeugen, dass Kabir der einzig wahre Gott ist und Rampal sein Vertreter auf Erden. Sie beziehen sich oft auf Zitate aus der Bibel oder dem Koran, oder sogar auf Vorhersagen von Astrologen wie dem berühmten Franzosen Nostradamus aus dem 16. Jahrhundert.
Warum Belgien?
Der Spam auf Twitter wird über geklaute Telefonnummern von Personen des öffentlichen Lebens versendet, die im Internet gefunden wurden, oder über WhatsApp. Der Guru hat vermutlich auch Anhänger in Belgien. Die Website der Sekte gibt Kontaktnummern für eine Handvoll Länder an: Indien und Nepal, die Vereinigten Staaten, Australien, Kanada, das Vereinigte Königreich, Italien und... Belgien.
Im Februar 2019 teilte die Sekte auf Youtube ein Video zum Thema "Belgien". Es zeigt Bilder von Straßen in Antwerpen, gefolgt von ein paar Anhängern, die ein Haus in einem typischen flämischen Viertel betreten. Eine Gruppe von einem Dutzend Menschen, darunter auch Minderjährige, versammelt sich um den Fernseher und sieht sich ein Video von Rampal an. Auch in Belgien gibt es einen Ashram oder eine Kultstätte für Rampal-Anhänger und zwar in Zoutleeuw (Provinz Flämisch Brabant).
In Belgien ist das "Zentrum zur Information und Beratung über gefährliche sektenartige Organisationen" (IACSSO/CIAOSN) beim Justizministerium für die Überwachung von Sekten und deren internationalen Verbindungen zuständig. Der Name Rampal scheint dort aber noch kein Begriff zu sein. Das Zentrum hat noch keine Anfrage nach Informationen über diesen Guru oder seine Organisation erhalten. Aber wenn die auf Belgien abgestimmte Twitter-Kampagne weitergeht, könnte sich das bald ändern.