Falschinformationen über Impfungen im Briefkasten: Wer steckt dahinter? Wie weit geht die Meinungsfreiheit?

Der Corona-Impfstoff sei kein Impfstoff, sondern eine Gentherapie: Das beispielsweise steht auf Flugblättern, die derzeit in den Briefkästen der Bewohner in Dilbeek und Tienen (Provinz Flämisch-Brabant) landet. Die VRT-Wissenschaftsredaktion hat die fake news über Corona und Impfungen unter die Lupe genommen.

"Wir haben fünf Meldungen von Bewohnern aus drei Straßen erhalten", sagt die Bürgermeisterin von Tienen, Katrien Partyka (CD&V): “Auch in der Nachbargemeinde Hoegaarden sind Flugblätter mit Falschinformationen aufgetaucht. Die Polizei hat den Täter identifiziert und wird ihn vorladen." Nicht etwa, wegen des Unsinns, den er verbreitet – das Recht auf freie Meinungsäußerung hat Vorrang – sondern, weil der verantwortliche Herausgeber nicht genannt wird. “Und das ist strafbar”, sagte Katrien Partyka. 

Vor zwei Wochen sind auch in Eeklo in Ostflandern Pamphlete mit Anti-Impfthesen, Verschwörungstheorien und religiösen Zitaten aufgetaucht. Mehrere Bewohner verständigten die Polizei, die einer 50-Jährigen auf die Spur kam. Auf Aufforderung der Polizei stoppte sie ihre Aktion und übergab die restlichen Flugblätter. 

"Gentherapie"

Oft werden diese Texte von Einzelpersonen oder religiösen Gruppen geschrieben und verteilt. Manchmal steckt ein organisiertes Netzwerk dahinter. Eine Reihe von Publikationen mit irreführenden Infos über Corona stammen aus den Niederlanden, wie z. B. Eyeopener Magazine (eine Zeitschrift von einem evangelistischen Prediger) oder Mondkapjeeffecten (Flugblatt über die negativen Folgen von Masken). 

In Druckform für ein breiteres Publikum

Die meisten Anti-Impf- und Anti-Lockdown-Gruppen sind im vorigen Jahr im Internet gegründet worden. Indem Sie auch gedruckte Flyer in die Briefkästen werfen, erreichen sie ein breiteres Publikum. In den meisten Fällen weisen die Flyer wiederum auf Online-Plattformen für mehr Informationen oder die Bestellung von Infomaterial hin.  

Im Internet aber werden die Aktionsgruppen wegen ihrer Falschinformationen mehr und mehr von den Betreibern der Social-Media-Plattformen entlarvt und gekennzeichnet.

“Zensur” im Internet

Twitter, Facebook und YouTube haben in den letzten Monaten verstärkt eingegriffen, um zu verhindern, dass Falschinformationen auf ihre Plattformen gelangen. Anti-Impf-Beiträge und andere fake news können jetzt geprüft oder gelöscht werden. Wer also Flyer in den Briefkasten steckt, umgeht die Richtlinien sozialer Netzwerke als auch die Kontrolle von Online-Faktenprüfern. 

Meinungsfreiheit

Von einem verfassungsrechtlichen Standpunkt dürfen Impfgegner prinzipiell ihre Botschaft verkünden, erklärt Koen Leemans, Verfassungsexperte an der KU Leuven: “ Sie haben das Recht zu versuchen, die Menschen zu überzeugen, genauso wie zum Beispiel die Zeugen Jehovas oder politische Parteien, die ein Flugblatt in den Briefkasten werfen." 

"Aber es gibt Grenzen der Freiheit. Wenn beispielsweise offensichtliche Falschinfos über den Impfstoff von Pfizer verbreitet werden, kann Pfizer dagegen vorgehen und eine Klage wegen Verleumdung und übler Nachrede einreichen."

Ärztekammer

"Im Prinzip handelt es sich um eine Frage der Meinungsfreiheit. Wenn ein Arzt oder Apotheker ein solches Dokument veröffentlichen würde, könnte die Ärztekammer oder die Apothekerkammer Maßnahmen ergreifen”, erklärt der Professor für biomedizinisches Recht Herman Nys (KU Leuven), “weil solche Behauptungen einen Angriff auf die Ehre und Würde des ärztlichen Berufsstandes darstellen können.”   

"Ein Disziplinarrat könnte beschließen, eine Sanktion zu verhängen. Das kann eine Verwarnung, eine vorübergehende Suspendierung von zwei Jahren oder sogar die Streichung als Arzt sein.” 

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