Belgien verabreicht den AstraZeneca-Impfstoff eine Zeit lang nur an Personen über 55 Jahre
Trotz sehr seltener Fälle von Hirnthrombosen empfiehlt die EU-Arzneimittelbehörde EMA die Anwendung des Corona-Impfstoffes von AstraZeneca weiterhin. Der Nutzen des Wirkstoffes gegen das Coronavirus sei höher zu bewerten als die möglichen Risiken, teilte die EMA in Amsterdam mit. Zugleich bestätigte die Behörde einen möglichen Zusammenhang zwischen der Impfung mit dem Mittel und den aufgetretenen Thrombosen, bezeichnete die Vorfälle aber als seht seltene Fälle. Belgien wählte danach einen vorsichtigen Weg und wird das Vakzin einen Monat lang nur bei Personen über 55 Jahre anwenden.
Die Gesundheitsminister aus Bund, Ländern und Regionen in Belgien hatten sich nach der Pressekonferenz der EMA am Mittwoch zusammengesetzt, um über eine mögliche Vorgehensweise in unserem Land zu beraten. Trotz der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde stand eine Festlegung eines Impfmindestalters im Raum. Die Sorge macht sich bei den zuständigen Ministern breit, dass junge Menschen nach einer Impfung mit AstraZeneca sterben.
Doch eine Anpassung der Altersgrenze hat Folgen für die hiesige Impfstrategie, z.B. bei der Frage, ob alle diese Anpassung betreffende Personen, die bisher ihre erste AstraZeneca-Impfdosis erhalten haben, auch eine zweite Spitze mit diesem Vakzin erhalten müssen. Belgien war offenbar davon ausgegangen, dass die EMA eine Altersbeschränkung einführen oder empfehlen würde. Da dies aber nicht erfolgte, waren die Diskussionen zwischen den einzelnen Gesundheitsministern zäh verlaufen.
Am frühen Mittwochabend sagte Bundesgesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit) gegenüber VRT NWS, dass man das umstrittene Vakzin für die Dauer eines Monats nur an Personen, die älter als 55 Jahre sind, verabreichen werde. Personen unter dieser Altersgrenze werden mit einem anderen Impfstoff gegen das Coronavirus Covid-19 geimpft.
Was sagt die EMA genau?
Die Blutgerinnsel sollten als seltene Nebenwirkung des AstraZeneca-Impfstoffs gelistet werden. Mögliche Thrombosen seien vor allem bei Frauen im Alter von unter 60 Jahren innerhalb von rund zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten, so die EMA am Mittwoch. Spezifische Risikofaktoren seien nach den bisherigen Erkenntnissen aber nicht bestätigt worden.
Die EMA gab keine Einschränkungen für den Einsatz des Mittels bekannt, empfahl aber, die möglichen Thrombosen als eventuelle Nebenwirkungen offiziell zu erwähnen, z.B. auf den Beipackzetteln der Verpackungen. „Der Nutzen des Wirkstoffes bei der Bekämpfung von Covid-19 ist deutlich höher zu bewerten als die Risiken“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Mittwoch in Amsterdam. Die EMA geht nach eigenen Angaben derzeit rund 60 Berichten zu Blutgerinnseln im Gehirn nach. Einige dieser Thrombosen sind tödlich verlaufen.
Noel Wathion, stellvertretender Direktor der EMA, sagte am späten Mittwochnachmittag gegenüber VRT NWS, dass seine Behörde die Nebenwirkungen, spezifisch die Blutgerinnsel im Gehirn, von AstraZeneca weiter vollauf untersuche: „Wir kennen den Mechanismus, der die Thrombosen verursacht, noch nicht. Das muss noch weiter untersucht werden. Wir haben von AstraZeneca zusätzliche Details angefordert und es laufen eigene Studien. Wir müssen die restliche Unsicherheit so schnell wie möglich wegnehmen.“
Der schwedisch-britische Pharmakonzern AstraZeneca hatte immer wieder erklärt, Studien hätten keine erhöhte Thrombose-Gefahr gezeigt. Das inzwischen Vaxzevria genannte Vakzin wird seit Ende Januar angewendet. Noch letzte Woche hatte die EMA erklärt, dass sie keine bestimmten Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen habe feststellen können.
Vorsicht in einigen EU-Ländern
Einige EU-Länder empfehlen Corona-Impfungen mit AstraZenca inzwischen nicht bei Menschen jüngeren Alters. Frankreich impft AstraZeneca nicht bei Menschen unter 55 und die Niederlande sowie Deutschland wenden das Vakzin nicht mehr für Personen unter 60 Jahren an.
Belgien hatte weiterhin AstraZeneca geimpft und keine Altersbeschränkung angeordnet. Allerdings sind hierzulande die entsprechenden Altersgruppen im Impfplan gerade erst an der Reihe, gegen Corona geimpft zu werden.
Die Briten impfen AstraZeneca nicht mehr bei Personen unter 30
Zeitgleich mit der EMA hatte auch die britische Behörde für Medikamentenaufsicht MHRA zu einer möglichen Verbindung zwischen dem AstraZeneca-Impfstoff und dem ungewöhnlich häufigen Auftreten von gefährlichen Blutgerinnseln beraten und sich dazu geäußert. Hier wurde ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Blutgerinnseln und AstraZeneca-Impfungen festgestellt.
In Großbritannien werden daher vorrübergehend Impfungen mit dem Impfstoff für Personen unter 30 Jahren ausgesetzt, wie die Zeitung "Sun" und der TV-Sender Sky News am Mittwoch berichten. Stattdessen sollten nun die Impfstoffe von Pfizer/BioNTech oder Moderna verabreicht werden.