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AstraZeneca nur bei Personen über 55 Jahre - Einfluss auf Belgiens Impfstrategie?

Zum ersten Mal seit Ausbruch der Coronakrise entscheidet sich Belgien dazu, auf eine Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA nicht einzugehen. In unserem Land wird für die Dauer eines Monats darauf verzichtet, Personen unter 55 Jahren den Corona-Impfstoff AstraZeneca zu verabreichen. Grund dafür sind Bedenken wegen möglicher Blutgerinnsel im Gehirn nach einer solchen Impfung. Doch inwiefern hat dieser Entschluss Einfluss auf die belgische Impfstrategie? 

Nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit) hat dieser Entschluss keinen wirklichen Einfluss auf die Impfplanung in Belgien: 

„Die Kampagne geht unvermindert weiter. Unser Fokus liegt in diesem Moment auf der Impfung von Personen über 65 und bei Menschen mit Vorerkrankungen, überwiegend ältere Leute. Wir hatten uns schon praktisch darauf vorbereitet, Menschen, die jünger als 56 Jahre sind, keine Einladung zu einer Impfung mit AstraZeneca einzuladen. Diesen Weg gehen wir in den kommenden 4 Wochen weiter. Hoffentlich haben wir dann eine bessere Analyse durch die EMA.“

Die belgischen Gesundheitsbehörden und -minister drängen bei der EMA darauf, im Verdachtsfall eines Zusammenhangs zwischen Thrombosen im Gehirn vor allem bei jüngeren Frauen nach einer AstraZeneca-Impfung weitere Untersuchungen durchzuführen. Dauert diese auf einen Monat angelegte Vorgehensweise länger, dann könnte ab Mai doch eine Verzögerung bei der weiteren Impfstrategie entstehen.

Als Land müssen wir versuchen, die Sicherheit eines Impfstoffs so weit wie möglich zu vergrößern, auch wenn dieser schon sehr sicher ist.“

Prof. Thomas Vanassche, Kardiologe (UZ Leuven)

Der Kardiologe Thomas Vanassche von der Löwener Universitätsklinik (UZ Leuven) zeigte gegenüber VRT NWS Verständnis für die Vorgehensweise der Gesundheitsminister aus Bund, Ländern und Regionen in Belgien: „Es ist nun mal so, dass mehr Fälle bei Frauen bekannt sind als bei Männern und überdies sind diese Frauen jünger als 60 Jahre. Den Grund dafür kennen wir noch nicht, doch wenn es Anzeichen in Richtung einer bestimmten Gruppe gibt, dann müssen wir darauf reagieren. Als Land müssen wir versuchen, die Sicherheit eines Impfstoffs so weit wie möglich zu vergrößern, auch wenn dieser schon sehr sicher ist.“ 

Was passiert, wenn jemand bereits die erste Dosis AstraZeneca bekommen hat?

Hierzu erklärt Gesundheitsminister Vandenbroucke: „Die Europäische Arzneimittelagentur sagt, dass AstraZeneca ein sicheres und gutes Vakzin ist, ungeachtet des Alters. Derzeit ändert sich also nichts, doch wir fordern von der EMA, dass sie sich noch einmal über die Frage beugt, was mit der zweiten Dosis zu tun ist. Wir laden vorläufig niemanden für eine Impfung mit einer zweiten AstraZeneca-Dosis ei und dass bleibt noch eine Weile so.“

Die interministerielle Konferenz der belgischen Gesundheitsminister sieht kein Zurückziehen von Impf-Einladungen vor. Allerdings muss eine gewisse Zahl an unter 55-Jährigen umgebucht werden. In Flandern handelt es sich nach Angaben von Landesgesundheitsminister Wouter Beke (CD&V) um rund 6.000 Personen, die stattdessen eine Impfung mit einem Vakzin von Pfizer/BioNTec oder Moderna erhalten werden, wie die flämische Wirtschaftszeitung De Tijd meldet.

Beke sagte auch, dass der Pharmahersteller Johnson & Johnson im April die ersten 50.000 Impfdosen ausliefern werde. Der flämische Gesundheitsminister bestätigte zudem, dass Pfizer/BioNTech seine Lieferverträge genau einhalte und seinen Zusagen nachkomme.

(Lesen Sie bitte unter dem Foto weiter)

Mourad ALLILI

Liste für Risikopatienten mit Vorerkrankungen ist online

Seit diesem Donnerstag (8. April) können die Bürger in Belgien überprüfen, ob sie zu der Gruppe Risikopatienten gehören, die ab Ende April gegen Corona geimpft werden sollen. Dazu wurde die Webseite „MyhealthViewer“ hochgeschaltet (die aber bereits kurz nach dem Start mit technischen Problemen aufwartete und die leider nur in Französisch und Niederländisch zu konsultieren ist - eine deutsche Version (für die dritte Landessprache in Belgien) ist nicht vorhanden).

Das gilt für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren, die an bestimmten Vorerkrankungen leiden und dadurch ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitserlauf haben, falls sie an Covid-19 erkranken. Die möglichen Risikopatienten erhalten automatisch eine Einladung zur Impfung.

Allerdings bleibt abzuwarten, mit welchem Impfstoff sie geimpft werden, angesichts der Tatsache, dass in Belgien vorerst keine Personen unter 56 Jahren mit dem Vakzin von AstraZeneca geimpft werden (siehe oben und nebenstehenden Beitrag).

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