Tom Wesselmann, Great American Nude #72 (1965)- Leihgabe Sammlung Matthys-Colle
foto Vincent Everarts

Pop-Art-Ausstellung in Gent: Privatsammlung Matthys-Colle steht im Mittelpunkt

Wer die Swinging Sixties und Seventies liebt, muss das S.M.A.K.-Museum in Gent besuchen, wo Pop Art aus der eigenen Sammlung, aber vor allem aus der Privatsammlung Matthys-Colle gezeigt wird. Unter den 45 Werken sind große Namen wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein, aber auch belgische Künstler wie Panamarenko mit einer erstaunlichen Frauenskulptur aus Filz.   

Der Clou dieser Ausstellung ist die private Sammlung des Ehepaares Matthys-Colle. Hinter dem Doppelnamen stecken der Genter Neuropsychiater Roger Matthys (1920-2016) und seine Frau Hilda Colle (1919-2004). Beide waren leidenschaftliche Sammler belgischer, europäischer und amerikanischer Kunst der Moderne. "Sie haben sich nicht auf eine einzige Kunstrichtung festgelegt, auch wenn ihr Herz insbesondere für die Pop Art schlug", verrät ihr Enkelsohn Bruno Matthys, der im Auftrag der Familie die Stiftung und Sammlung Matthys-Colle verwaltet.  

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Erinnerungen an die Großeltern

Bruno Matthys erinnert sich an seine Kindheit: "Meine Großeltern wohnten in einem großen modernistischen Haus in Deurle. Meine Schwestern und ich, unsere Vettern und Kusinen, wuchsen inmitten dieser Kunstwerke auf. Das ist sogar wörtlich gemeint, denn es gab Kunst in der Küche, im Bad und sogar in der Toilette. Jeden Sonntag gingen wir auf Entdeckungsreise. Wir haben auch sehr schnell gemerkt, dass wir keine Durchschnittsgroßeltern haben und dass man diese seltsamen und manchmal spektakulären Kunstwerke nicht bei jeder Oma und jedem Opa finden kann. 

Die Kunst war das Hauptgesprächsthema im Hause Matthys-Colle. "Es gab eine Menge Interaktion zwischen ihnen und den Kindern und Enkelkindern. Aber wenn es darum ging, ein Werk zu kaufen, haben sie sich von nichts und niemandem beeinflussen lassen". Die persönliche Beziehung zu einem Kunstwerk und die Liebe zu ihm waren wichtiger als sein Name oder sein Geldwert, bezeugt Bruno Matthys: "Die berühmtesten oder teuersten Kunstwerke hingen nicht unbedingt an der sichtbarsten Stelle im Haus".  

Andy Warhol - Big Electric Chair (1967). Leihgabe Sammlung Matthys-Colle
foto Vincent Everarts

Manchmal tat der Abschied von einem Werk auch weh: "Die Werke von Andy Warhol sind heute die Kronjuwelen der Sammlung, aber um sie kaufen zu können, haben sich meine Großeltern von einem Werk des belgischen Malers Jean Brusselmans getrennt. Bis an ihr Lebensende sagte die Großmutter, sei sie "traurig, dass wir den Brüsseler verkauft haben".  

Panamarenko - Feltra (1966). Leihgabe Sammlung Flämische Gemeinschaft
foto Dirk Pauwels

Künstler zu Hause

Viele Künstler haben das Sammlerpaar zu Hause in Deurle besucht. "Das Haus meiner Großeltern war ein Ort der Begegnung. Der Amerikaner Sol LeWitt schuf eine schöne Wandzeichnung, der Schweizer Niele Toroni bemalte die Türen mit seinen typischen roten Quadraten. Auch das britisch-italienische Künstlerduo Gilbert & George war regelmäßig zu Gast. Und als Karel Appel, später einer der reichsten Niederländer, kein Geld hatte, um ein Hotel in Gent zu bezahlen, gab ihm mein Großvater eine Unterkunft."

Zeit ihres Lebens (Hilda Colle starb 2004 und Roger Matthys 2016) hatte das Ehepaar rund 100 Kunstwerke zusammengetragen. Um diese Sammlung zu verwalten, wurde eine Stiftung ins Leben gerufen. Die Zusammenarbeit mit dem Genter Museum für moderne Kunst ergab sich wie von selbst. Auch weil Roger Matthys bereits 1957 an der Wiege des Vereins für das Museum für zeitgenössische Kunst stand.

Belga

Anfang dieses Jahres erwarb die flämische Regierung ein Werk aus der Sammlung Matthys-Colle und setzte es sofort auf die Liste der Top-Objekte: "The Great American Nude #45" des amerikanischen Pop-Art-Künstlers Tom Wesselmann.  

"Dank dieses Ankaufs können nun 39 weitere Werke aus der Sammlung zehn Jahre lang im S.M.A.K. untergebracht werden", sagt Kurator Van Cauteren.   

Die Ausstellung mit Werken aus der Matthys-Colle-Sammlung ist ein erster Schritt. In Planung ist ein separater Matthys-Colle-Saal, in dem die Werke im Zusammenspiel mit anderer Kunst dauerhaft gezeigt werden. 

Pop Art: Von Warhol bis Panamarenko läuft bis zum 8. Mai 2022 im S.M.A.K. in Gent.

Roy Lichtenstein - Modern painting with black sun (1967). Leihgabe Sammlung Matthys-Colle
foto Dirk Pauwels

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