Nicolas Maeterlinck

Belgiens Haushalte mit mittlerem Einkommen am stärksten von steigenden Energiekosten betroffen

Eine Studie der Universität Leuven (KUL) belegt, dass Haushalte mit mittlerem Einkommen am stärksten von den steigenden Heiz-, Strom- und Spritpreisen belastet werden. Die Studie berücksichtigt bei ihren Berechnungen die von der Bundesregierung bereits ergriffenen Maßnahmen, wie den 100-Euro-Energiescheck und die befristete Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom. Die Bezieher der niedrigsten Einkommen kommen in den Genuss eines ermäßigten "Sozialtarifs" für Gas und Strom. Für die Bezieher hoher Einkommen wird ein großer Teil der gestiegenen Energiekosten durch die indexierte Gehaltserhöhungen aufgefangen, die die gestiegenen Lebenshaltungskosten automatisch kompensieren. 

Wirtschaftswissenschaftler der KU Leuven und der UC Leuven (Louvain-la-Neuve) haben die Auswirkungen der höheren Gas- und Strompreise auf die Kaufkraft der belgischen Haushalte berechnet. Ihre Berechnungen beruhen auf den Preiserhöhungen, die zwischen Januar 2021 und Januar 2022 in Kraft getreten sind.

Die Auswirkungen sind für alle Haushalte spürbar, mit Ausnahme derjenigen, die noch langfristige Festpreisverträge haben, die vor dem drastischen Anstieg der Gas- und Strompreise vereinbart wurden.

Der Anteil am Einkommen, den die Haushalte für Energie ausgeben, ist sehr unterschiedlich. Familien im untersten Einkommenssegment geben durchschnittlich 7,3 % ihres verfügbaren Einkommens für Gas und Strom aus, während Haushalte im obersten Einkommenssegment durchschnittlich 2,3 % für Haushaltsenergie ausgeben.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die unteren Einkommensgruppen mit einem variablen Energievertrag die Energiekrise am stärksten zu spüren bekommen. Ein Haushalt im untersten Einkommenssegment gibt derzeit durchschnittlich 186 Euro/Monat für Wärme und Licht aus. Die Haushalte im höchsten Einkommenssegment geben 265 Euro aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie oft in größeren Häusern leben und mehr Geräte haben, die Strom verbrauchen. Betrachtet man dies jedoch als Anteil des verfügbaren Einkommens, so geben die Personen im untersten Einkommenssegment 11,3 % ihres Einkommens für Energie aus, während dies bei den Personen im obersten Einkommenssegment nur 3,8 % sind.

Ausgleichende Maßnahmen

Die Forscher berechneten auch die Auswirkungen der Maßnahmen, die von der Bundesregierung ergriffen wurden, um die finanzielle Belastung durch die Energiepreiserhöhung abzufedern. Dabei handelt es sich um die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom von 21% auf 6%, den einmaligen Heizkostenzuschuss von 100 Euro pro Anschluss und die Verlängerung des erweiterten Sozialtarifs bis Ende Juni.

Der erweiterte Sozialtarif für Energie wurde Anfang 2021 während der Corona-Krise eingeführt. Im Rahmen dieser Maßnahme haben 1 Million Haushalte (doppelt so viele wie vor seiner Einführung) Anspruch auf den Sozialtarif.  Die Auswirkungen der automatischen Indexierung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen – also deren Angleichung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten - wurden ebenfalls untersucht.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die automatische Indexierung die wichtigste Maßnahme ist, um den durch den starken Anstieg der Energiepreise verursachten Kaufkraftverlust am wirksamsten aufzufangen. Dies kommt jedoch vor allem den Beziehern höherer Einkommen zugute, weil diese schon über höhere Einkommen verfügen und die Indexierung immer eine zweiprozentige Gehaltserhöhung zur Folge hat, die netto bei diesen Gehältern immer einen deutlich höheren Betrag zur Folge hat.

Die Ausweitung des Energiesozialtarifs in Verbindung mit der automatischen Indexierung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen sorgt dafür, dass der Kaufkraftverlust der meisten Familien in den beiden untersten Einkommenssegmenten ebenfalls größtenteils aufgefangen wird. Jonas Vanderkelen von KUL sagte gegenüber VRT NWS, „dass derzeit einer von sechs Haushalten Anspruch auf den Sozialtarif hat und wir sehen, dass dies ein wichtiger Puffer ist, um den Kaufkraftverlust aufzufangen".

Die Auswirkungen der Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom sind indessen begrenzt.  Berücksichtigt man alle bestehenden und neuen Maßnahmen, so kommt man zu dem Schluss, dass vor allem die untersten Einkommen einen Ausgleich für ihren Kaufkraftverlust erhalten haben. Dies steht im krassen Gegensatz zu den Familien mit mittlerem Einkommen.

"Wir sehen Haushalte mit mittlerem Einkommen, die viel Kaufkraft verlieren", sagt Vanderkelen. Dies, weil ihnen kein Energiesozialtarif zusteht.

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