Flüchtlingsporträts von Eugeen Van Mieghem (1875-1930) werden in Antwerpen gezeigt

Am Dienstag wird in Antwerpen eine neue Ausstellung mit Zeichnungen und Gemälden von Eugeen Van Mieghem eröffnet.  Es ist die letzte Gelegenheit, einige der Werke zu sehen, bevor sie im September an ein New Yorker Museum übergeben werden. Schon zu Lebzeiten stießen die Zeichnungen und Pastelle von Van Mieghem auf viel Anerkennung von Kunstkritikern, die sie mit denen von Käthe Kollwitz verglichen. Er gilt als Vorläufer der sozial engagierten Kunst. Wie keinem anderen ist es Van Mieghem gelungen, das Leben und den Alltag der einfachen Hafenarbeiter und der der ärmlichen Umstände, unter denen sie lebten, bildnerisch festzuhalten. 

18 seiner Porträts - hauptsächlich jüdische Männer in langen Mänteln und mit imposanten Hüten – sind nun zum letzten Mal in der Ausstellung in Antwerpen zu sehen. Im September wird ein privater Sammler sie der New-York Historical Society schenken. Danach werden sie durch Museen in den Vereinigten Staaten und Kanada reisen.

Zusammen mit den Zeichnungen werden auch verschiedene Gegenstände der Reederei Red Star Line an die New York Historical Society übergeben. Auch diese sind zum letzten Mal in der Antwerpener Ausstellung zu sehen. Reisedokumente, ein Koffer, ein Etui für den Fahrschein in vier osteuropäischen Sprachen. Aber auch schickes Geschirr und Speisekarten. Oder ein Logbuch des Kapitäns voller schöner Zeichnungen von Passagieren.

Antwerpener Hafenmaler

Van Mieghem wurde am 1. Oktober 1875 mitten im Antwerpener Hafenviertel geboren. Schon in seiner Kindheit lernte er das harte Leben an der Waterkant kennen.  Van Mieghem saß in der Kneipe seiner Mutter im Hafenviertel von Antwerpen und zeichnete Porträts von zahlreichen Osteuropäern, die sich auf ihre Reise nach Amerika vorbereiteten.  Er wurde der Maler der Menschen im Hafen: der Lastenträger, der Sacknäherinnen, der Auswanderer, der Schiffer und der Obdachlosen.

Oft waren es zerzauste Menschen, die auf der Flucht vor Armut und Verfolgung einen halben Kontinent durchquert hatten, um nach Antwerpen zu gelangen.  Hundert Jahre später wiederholt sich die Geschichte, und erneut sind Menschen auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine unterwegs.

Viele Osteuropäer setzten ihre Hoffnungen auf eine Reise nach Amerika an Bord der Schiffe der Red Star Line, die im flämischen Hafen ablegten.  Viele der Zeichnungen sind über ein Jahrhundert alt, sehen aber aus, als wären sie gestern vor einem ukrainischen Bahnhof gezeichnet worden.

Van Mieghems Mutter betrieb eine Bar gegenüber einem Hangar der Red Star Line, wo sich die Auswandererkandidaten einer ersten medizinischen Untersuchung unterzogen.

"Flüchtlinge gibt es immer und überall", erklärt Erwin Joos vom Eugeen Van Mieghem Museum. "Es war die Zeit der Pogrome, der Verfolgung der Juden in Russland in Chisinau, Odesa und Kiew.  Die Juden machten sich auf den Weg zu Häfen wie Hamburg und Antwerpen, und das sind die Menschen, die Van Mieghem gezeichnet hat".

“Eugeen Van Mieghem, Kunstenaarsperspectief op de emigranten van de Red Star Line" ist bis zum 15. Juli in der Argenta Bank in Antwerpen zu sehen.  Der Eintritt ist frei, aber es empfiehlt sich, den Besuch vorher zu reservieren. Geöffnet montags, mittwochs und freitags. Adresse Belgiëlei 49-53, 2018 Antwerpen.

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