Wesertal: Abrupte Zunahme von Erschütterungen vor Hochwasser gemessen – Frühwarnsystem?
Bereits am 14. Juli 2021, ganz am Anfang der Flutkatastrophe im Osten Belgiens, hatten Messgeräte der Königlichen Sternwarte auffällige seismische Erschütterungen registriert. Das hat die Aufarbeitung der Katastrophe jetzt ergeben. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Geräte auch als Frühwarnsystem dienen könnten.
Die geophysikalische Forschungsstation Membach, die sich an der Weser zwischen den Talsperren Eupen und Gileppe befindet, ist Teil der seismologischen der Königlichen Sternwarte und arbeitet mit Seismometern, die die Erschütterungen in der Erde (vom Verkehr bis zu Erdbeben) messen und mit Gravimetern, die die Schwankungen der Schwerkraft erfassen.
Seismometer misst Spitzenwerte am 15. Juli in der Nacht um 02:15
Am Nachmittag und Abend des 14. Juli 2021 zeigten die Geräte einen starken Anstieg von seismischen Erschütterungen an. Ein Phänomen, das von den Schwankungen der Weser ausgelöst wird, z. B. durch Turbulenzen und Strömungen, die viel Schutt führen und die Infrastruktur zerstören. “Wir haben diese Vorkommnisse bis Mitternacht am 14. Juli beobachtet", sagte Michel Van Camp, Leiter der Abteilung Seismologie und Gravimetrie der Königlichen Sternwarte auf Radio 1 (VRT NWS): "Einer der Spitzenwerte wurde in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli um 2.15 Uhr aufgezeichnet. Etwa 15 Minuten später rief ein Nachtwächter der Molkerei Corman in Béthane, drei Kilometer flussabwärts, an und sagte, er habe einen “Tsunami' gesehen und gehört."
Gravimeter zum ersten Mal in 27 Jahren an seine Grenze
Eine Besonderheit der Station Membach ist, dass sie ein "supraleitendes Gravimeter" verwenden kann. "Wenn es regnet, nimmt die Schwerkraft zu, weil sich mehr Wasser im Boden befindet. Das ist normal", erklärt Van Camp: "Als es im Juli zu regnen begann, reagierten die Gravimeter zunächst normal. Aber je länger der Regen dauerte, desto weniger reagierten die Geräte. Am Schluss kam keine Reaktion mehr, weil der Boden vollständig gesättigt war. Das war ein absolutes Novum für uns: Das haben wir in den 27 Jahren, in denen es das Messgerät gibt, noch nie erlebt."
Ursache für das Hochwasser
Der Seismologe erinnert sich: “Als es am frühen Abend wieder zu regnen begann, war der Boden nicht mehr in der Lage, das Wasser aufzunehmen. Alles Wasser floss sofort in die Flüsse. Das war wahrscheinlich die Ursache für den plötzlichen Anstieg der Weser, für die Flutwellen und schließlich die verheerenden und tödlichen Überschwemmungen." In Belgien wurden mindestens 41 Menschen getötet, in Deutschland mindestens 180.
Laut dem Forscherteam um Van Camp zeigen die Messungen an der Station Membach, dass Seismometer und Gravimeter eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Beobachtung von extremen Wetterereignissen spielen können, insbesondere jetzt, da sie aufgrund des Klimawandels häufiger auftreten könnten. So könnten beispielsweise Gravimeter, die den Wasserstand in Echtzeit messen, Teil eines Frühwarnsystems sein.
"Wir könnten ein ausgedehntes Netz solcher Zähler installieren und betreiben. Aber es gibt noch viel zu tun", räumt Van Camp ein. "Gravimeter sind teure Instrumente. Wenn sie billiger werden, könnte es funktionieren. Die Königlichen Sternwarte besitzt heute zwei Gravimeter, eines in Membach und eines in Rochefort, sowie etwa 25 Seismometer.