Limburg im Bann des Aquino-Prozesses: Warum der Drogenhändler sterben musste
"Lauf, Silvia! Die sind nicht von der Polizei!" Das waren die letzten Worte, die Silvio Aquino seiner Frau zurief, bevor er am 27. August 2015 erschossen wurde. Handelte es sich um einen geplanten Mord an Sylvio Aquino oder war hier ein Entführungsversuch schiefgelaufen, wie einer der fünf Verdächtigen behauptet? Das ist die Frage bei der Gerichtsverhandlung, die am Freitag unter großen Sicherheitsvorkehrungen beginnt.
Die Spannungen zwischen den Parteien waren am Morgen regelrecht zu sehen, als einer der Angeklagten im Mord an Sylvio Aquino sich an dessen Familie wendete und mit der Hand andeutete, er wolle ihnen die Kehle durchschneiden. Aber es gibt auch Spannungen zwischen den Angeklagten. Einer von ihnen hat die Omerta gebrochen und wird nun von den anderen vier als Verräter behandelt. Weder die Öffentlichkeit noch die Presse haben Zutritt zu dem Gerichtssaal und müssen dem Prozess auf einem Großbildschirm verfolgen. Der Prozess wird vier bis fünf Wochen dauern. Den Angeklagten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Wer war Silvio Aquino?
Silvio Aquino (Leut, 1974) war das jüngste von neun Kindern einer Limburger Bergarbeiterfamilie mit italienischen Wurzeln. Die Aquinos, allesamt Glatzen und durchtrainierte Körper, waren und sind in Limburg berühmt und berüchtigt. Wegen ihrer Verwicklung im Drogenhandel wurden sie auch als "die Sopranos an der Maas" genannt.
Als der Mord Ende August 2015 geschah, standen Silvio Aquino und andere Mitglieder seiner Familie in Hasselt wegen Kokainhandels vor Gericht. Zu ihrer Verteidigung beschäftigten die Aquinos viele prominente Anwälte.
Was geschah am 27. August 2015?
Silvio Aquino und seine Frau Silvia waren auf dem Heimweg von einem Besuch bei Silvios Schwester in Maasmechelen, als ihr Auto in der Nähe von Opglabbeek überholt und abgefangen wurde. Silvio Aquino hielt die Männer mit den Handschuhen, Armbinden und Sturmhauben zuerst für Polizeibeamte und die Aktion für eine Drogenkontrolle. Doch er merkte schnell, dass er in einen Hinterhalt geraten war. Seine Frau konnte fliehen und Hilfe holen. Doch für Silvio Aquino kam jede Hilfe zu spät. Er wurde von fünf Kugeln in den Kopf und zwei in den Oberkörper getroffen. Die Täter konnten flüchten, wurden aufgrund von Augenzeugenberichten, aber schnell ausfindig gemacht.
Wer sind die fünf Angeklagten?
Einer der Verdächtigen wurde bei dem Hinterhalt in Opglabbeek schwerverletzt. Silvio Aquino hatte sich heftig gewehrt und auf einen der Angreifer mit dessen Waffe geschossen. Die Verdächtigen flohen mit ihrem verletzten Begleiter, der wenig später starb. Seine Identifizierung, die Analyse von Kamerabildern entlang der Autobahnen und eine sehr umfangreiche telefonische Untersuchung führten zur Verhaftung von drei der vier Insassen des Fluchtwagens. Der vierte Verdächtige wurde erst im August letzten Jahres nach einer zufälligen Verkehrskontrolle in Spanien festgenommen. Ein Glücksfall für die Ermittler, denn genau dieser Mann brach die Omertà.
Die vier sind Mitglieder eines bosnischen Romaclans und haben alle ein gut gefülltes Strafregister. Sie gelten als die Täter des Mordes an Silvio Aquino. Der fünfte Angeklagte, ein Mann aus Zutendaal, ist den Aquinos bekannt. Für die Staatsanwaltschaft ist er derjenige, der den Mord angeordnet hat.
Was war das Motiv?
Handelt es sich bei dem Mord an Silvio Aquino um einen außer Kontrolle geratenen Raubüberfall, einen Drogenhandel oder eine missglückte Geiselnahme? Ein Raubüberfall schien unwahrscheinlich, da sich in Aquinos Hose noch 4.050 Euro in 50-Euro-Scheinen befanden. Nur seine teure Uhr war gestohlen worden.
Der Verdächtige aus Zutendaal, der den Hinterhalt in Auftrag gegeben haben soll, wurde bereits wegen eines großen Kokaintransports verurteilt. Nach Angaben der Polizei war er mit den Aquinos zerstritten, nachdem ein Drogengeschäft schiefgelaufen war.
Der Mann leugnet und beteuert nach wie vor seine Unschuld, ebenso wie die drei mutmaßlichen Vollstrecker.
Der letzte Verdächtige ist der einzige, der sich zum Sachverhalt geäußert hat. Der Plan sei gewesen, Silvio Aquino zu entführen und dann ein Lösegeld von 400.000 bis 500.000 Euro zu verlangen. Denn es war bekannt, dass Silvio im "Drogengeschäft" tätig war und über viel Geld verfügte. Der Mann aus Zutendaal hätte den Bosniern einen Tipp gegeben. Es sei nicht die Absicht gewesen, Silvio zu töten, sagt er, aber die Sache ging völlig schief, als es Aquino gelang, einem der Täter eine Waffe abzunehmen.