UNESCO-Kulturerbe: Heute zieht das Riesenpferd ‚Ros-Beiaard‘ durch Dendermonde

Nach zwölf Jahren des Wartens läuft am Sonntagnachmittag das fast eine Tonne schwere Pferd endlich wieder für den traditionellen folkloristischen Umzug durch die Straßen der flämischen Kleinstadt Dendermonde. Erwartet werden bis zu hunderttausend ausgelassene Zuschauer. Aber was genau ist das ‚Ros-Beiaard‘ und wer sind all diese geschichtsträchtigen Figuren im Umzug? Ein Überblick:

Das ‚Ros-Beiaard‘: das Ein-Tonnen-Pferd

"Das ‚Ros Beiaard‘ ist das unübertroffene Symbol von Dendermonde. Es ist der Stolz eines jeden Bürgers von Dendermonde", heißt es dort. Das sagenumwobene Holzpferd kommt normalerweise alle zehn Jahre aus dem Stall, aber wegen der Coronapandemie wurde die Ausgabe 2020 um zwei Jahre verschoben. Ein paar Details über das Pferd:

  • Er ist 2 Meter breit, 4,85 Meter hoch (bis zur höchsten Stelle des Kopfes) und 5,80 Meter hoch mit der Zierfahne;
  • Er ist von der Nase bis zum Schwanz 5,20 m lang und 2 m breit;
  • und wiegt 1.000 kg (850 kg ohne Ausrüstung).

Die ‚Heemskinderen‘: die Brüder Cassiman

"Ein ‚Ros-Beiaard‘-Umzug ist ohne die vier Heemskinderen auf dem Rücken des Riesenpferds nicht denkbar", so die Organisatoren.  "Sie tragen eine Rüstung aus Zink und Leder und sitzen außerdem auf einem Ledersattel." Diese Tradition gibt es in Dendermonde seit mindestens 1460. Aber nicht jeder darf sich in den Sattel dieses mächtigen Pferdes setzen. Es gelten strenge Bedingungen:

  • Es müssen vier Brüder im Alter von mindestens 7 und höchstens 21 Jahren sein, 
  • sie dürfen keine Schwester haben, die zwischen ihnen geboren wurde
  • sie sind in Dendermonde geboren und wohnen in Dendermonde
  • und auch ihre Eltern sind in Dendermonde geboren und leben dort

Der Name ‚Heemskinderen‘ bezieht sich auf die vier Brüder, die der Legende nach auf dem ‚Ros Beiaard‘ gesessen haben sollen. Sie waren die Söhne von Fürst Aymon und wurden deshalb Aymonskinderen genannt, was im Laufe der Jahrhunderte zu Heemskinderen geworden ist.

Bis zum 1. September 2019 konnten sich Familien als ‚Heemskinderen‘ des ‚Ros-Beiaard‘ bewerben. Von den 5 Bewerberfamilien wurden die Brüder Cassiman vom ‚Ros-Beiaard‘-Komitee ausgewählt: Maarten, Wout, Stan und Lander.

Die Brüder tragen eine Rüstung, ein Schwert, einen Schild und Stiefel mit Sporen. Alles wurde so angepasst, dass sie die Besucher des Umzugs so bequem wie möglich vom ‚Ros-Beiaard‘- herab begrüßen können. In den letzten Monaten waren sie auch mehrmals bei einem Physiotherapeuten, um ihre Beine für die Haltung zu trainieren, die sie während des sechsstündigen Umzugs einnehmen müssen.

Die Pijnders: 36 Männer, die ‚Ros-Beiaard‘ tragen

In dem hölzernen Rahmen des Pferdes befinden sich drei Lücken. In diesen befinden sich die Träger oder "Pijnders".  Sie haben eine glorreiche, aber auch schwere Aufgabe zu erfüllen: das Tragen des ‚Ros-Beiaard‘. Sie tun dies in drei Schichten zu je zwölf Pijnders. Jeder Träger hebt etwa 83 Kilo. Es gibt einen Anführer, der Befehle erteilt und das Pferd lenkt.

Die Pijnders haben monatelang in einem Fitnesscenter unter Anleitung eines Trainers trainiert. Der Trainer hatte spezielle Übungen für die Beine und Schultern vorbereitet. "Man trägt 50 Prozent auf den Schultern und 50 Prozent auf den Händen, denn das gibt dem Pferd eine gewisse Kadenz, so dass die Bewegung natürlicher aussieht", sagt Luc De Jonghe, von der Gilde der Freien Pijnders.

Die Pijnders werden von Bockträgern begleitet, die an jeder Haltestelle des ‚Ros-Beiaard ‚die Böcke abstellen, auf denen das Pferds ruht. "Die Bockträger sorgen dafür, dass die Leiter mitgeführt wird, mit der die 'Vier Heemskinderen' auf das Ross auf- und absteigen können. Auf diese Weise können sie bei Bedarf immer noch auf die Toilette gehen", so die Organisation. Darüber hinaus gibt es auch Getränketräger. Ihre Aufgabe ist es, die Träger des ‚Ros-Beiaard‘unterwegs mit Getränken zu versorgen.

Kalleke Step ist der Hofnarr vom Dienst

Kalleke Step ist der Narr, der das Glockenspiel durch die Straßen von Dendermonde führt. Jedes Mal, wenn das Pferd den Kopf hebt, macht Kalleke einen Handstand, insgesamt zwischen 200 und 300 Mal.

Der Hofnarr stammt bereits aus der Zeit Karls des Großen, aber der Name Kalleke Step taucht erst 1914 auf. Damals übernahm Louis Steppé die Rolle des Narren und sein Spitzname war Kalleke Step. Dieses Jahr wird Walter De Smet (63) zum dritten Mal den Kalleke Step spielen.

Der Geiger oder Fiedler

Genau wie bei Kalleke Step weicht der Geiger nicht von der Seite des ‚Ros-Beiaard‘. Dieser Fiedler spielt eine wichtige Rolle während des Umzugs. In 5,5 Stunden spielt er das ‚Ros-Beiaard‘-Lied etwa 350 Mal. Das läutet jedes Mals den Moment ein, in dem die Pijnders das Pferd in Bewegung setzen.

Neben den oben genannten Personen nehmen 2.000 Statisten, etwa 60 Zugpferde, 40 Reitpferde, 3 Esel, ein Ochse und 4 Zughunde an der Prozession teil.

"Es ist herzerwärmend zu sehen, wie sich unsere Stadt bei jedem ‚Ros-Beiaard‘-Umzug um diese jahrhundertealte Tradition schart und wie junge Menschen und Neuankömmlinge in die große ‚Ros-Beiaard‘. -Gemeinschaft aufgenommen werden. Ich hoffe, dass wir gemeinsam ein großes Fest daraus machen können", sagt Piet Buyse (CD&V), Bürgermeister von Dendermonde und Vorsitzender des ‚Ros-Beiaard‘-Komitees.

Auf die nächste Ausgabe werden wir keine 12 Jahre warten müssen:  Sie ist bereits für das letzte Maiwochenende 2030 in acht Jahren geplant.

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